40. Retromobile 2015
Die drei versammelten Bugattis vom Type 41, besser bekannt
als Bugatti Royal, 50 % der Weltpopulation, wären an sich ja der Höhepunkt
gewesen. Wann sieht man schon einmal drei automobile Kunstwerke dieses Kalibers
zusammen stehen, wenn sie nicht von der Cité de l’Automobile Musée Nationale
Collection Schlumpf präsentiert werden? Allen voran das herrliche Coupe
Napoleon (Chassis 41-100), für mich der nie wieder erreichte Inbegriff eines eleganten
Oldtimers. Aber auch die schwarze Innenlenker-Limousine (Chassis Nr. 41-131)
mit englischer Park-Ward Karosserie, ausgeliefert an Captain Cuthbert Foster,
ist ein imposanter Wagen, der allerdings wesentlich wuchtiger wirkt. Der
Wiederaufbau des sportlichen Armand Esters Roadster wurde noch unter Leitung
der Gebrüder Schlumpf in den 1970er Jahren begonnen, dann für längere Zeit
unterbrochen und schließlich vom Museum vollendet. Die Farbgebung der riesigen
Sportwagens in verschiedenen Grüntönen mutet mich etwas sehr modern an, aber
schließlich waren die Autos auch früher schon bunt, nicht nur schwarz, weiß
oder irgendein Grauton dazwischen. Besonders eindrucksvoll haben das übrigens
letztes Jahr die Ruxtons in Pebble Beach bewiesen...
Von den drei Royales also einmal abgesehen, waren natürlich
noch jede Menge anderer Highlights zu bewundern, die jedes für sich zahllosen
Oldtimer-Events zur Ehre gereicht hätten. Zum 40. Jubiläum zeigte man eine
Sonderschau von Pegaso Automobilen, Außerdem bot der italienische Sammler
Corrado Lopresto einen Einblick in seine Sammlung von Prototypen und Unikaten.
Jede Menge internationaler Spitzenhändler boten sogar Fahrzeuge zum kaufen an,
nicht nur zum anschauen. Wer also die eine oder andere Million übrig hatte,
konnte sich bei Fiskens, Hüni, JD Classics & Co mit teuren Spielzeugen
eindecken. Und natürlich bietet die Retromobile auch in ihrem 40. Jahr eine
schier unüberschaubare Auswahl an Ersatzteilen, Zubehör, Kunst und Automobilia
aller Art.
Die beiden Auktionen von Bonhams und RM sorgten schließlich
dafür, dass man nicht mehr, wie früher einmal, mit einem Tag alles gesehen hat,
was die Retromobile zu bieten hat. Heutzutage braucht man dafür mindestens zwei
Tage, besser noch drei. Dann bleibt auch noch ein wenig Zeit für die Stadt der
Liebe, die ja bekanntermaßen auch noch andere Highlights zu bieten hat.
All das wurde jedoch schon von vorneherein von Rost und
Staub überstrahlt. Die 59 Fahrzeuge der Sammlung Roger Baillon, wurden von
Artcurial wunderschön inszeniert. Wie haben sie die Auto nur so unversehrt hergebracht?
Nicht einmal viele Fingerabdrücke vom Bergen und Bewegen der Autos sind in der
üppigen Patinaschicht auszumachen! In der separaten, abgedunkelten Halle wurden
die automobilen Zombies ausgestellt. So hatte diese Ansammlung von „untoten“ Fahrzeugen
wahrlich etwas verwünschtes, zauberhaftes. Fast wirkte es wie ein romantischer Schatten
aus der Vergangenheit, wie eine flüchtige Idee des Traumes von Monsieur Baillon
– sein Museum, das er niemals verwirklichen konnte. Alleine, das zu sehen, war
die Reise nach Paris diesmal wert. Die Relikte ehemals herrschaftlicher
Traumwagen dämmerten im stillen Halbdunkel vor sich hin und schienen die
letzten Stunden ihrer Gemeinsamkeit geradezu bewusst zu genießen. So lag denn
auch ein Hauch von Traurigkeit über diesen stummen Zeugen der Vergangenheit. Schade,
dass von der Einmaligkeit dieser Sammlung, die ja gerade in der schieren Menge
von gleichartig verrotteten Fahrzeugen liegt, nicht mehr viel übrig bleiben
wird. Sicher werden einige der Fahrzeuge in diesem würdevollen, wenn auch schlechten,
Zustand bleiben dürfen. Anderen jedoch wird mit ziemlicher Sicherheit im
unvermeidlichen Restaurierungsprozess die Seele geraubt. Viel der originalen
Substanz dürfte angesichts der Ausgangssituation nicht mehr übrigbleiben, bis
man sie in einigen Jahren auf den gepflegten Golfplätzen und in den Schlossparks
der Welt wieder strahlen sieht.
Insgesamt erlösten die „sleping beauties“ 25,15 Millionen
Euro. Den Rekord erzielte, wenig überraschend, der 1961er Ferrari 250 GT SWB California
Spider von Alain Delon, der am Ende nicht nur den Auktionsrekord der Sammlung Baillon
erzielte, sondern den höchsten Zuschlag, den Artcurial ins einer Geschichte
verwirklichen konnte und den höchsten Preis markierte, der überhaupt jemals für
einen California Spider bezahlt wurde: 16,3 Mio Euro, inklusive Aufgeld. Dagegen
war der 1956er Maerati A6G 2000 Gran Sport Berlinetta Frua mit 2 Millionen
(inkl. Aufgeld) vergleichsweise günstig, obwohl er damit auch der bislang
teuerste seiner Art war. Erstaunlich dagegen die 1,7 Mio (inkl. Aufgeld) für
die Fragmente eines 1949er Talbot-Lago T26 Grand Sport SWB mit den Resten einer
Saoutchik-Karosserie.
Angesichts solcher Ergebnisse fragt man sich, wohin der Wahn
zum Scheunenfund noch führen soll. Wird es bald Derestaurierungs-Betriebe
geben, die aus herrlichen, restaurierten Fahrzeugen für teures Geld „authentische
Scheunenfunde“ machen, ähnlich den Patinierungen, die in letzter Zeit so in
Mode gekommen sind? Ich denke jedenfalls, ich fahre meinen 19 Jahre alten,
rostigen Benz noch eine Weile und lasse ihn dann einfach mal für ein paar
Jahrzehnte irgendwo im Schuppen stehen, anstatt ihn teuer zu entsorgen. Meine
Enkel und Urenkel haben dann eines Tages vielleicht auch noch was davon.
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