Kolumne (aus OCTANE #16)
Claus Müller |
In den letzten Jahren haben sich die Preise von Oldtimern
teilweise mehr als rasant entwickelt. Irgendwie scheint spätestens der Direktverkauf
des 1936er Bugatti Typ 57SC Atlantic durch das Auktionshaus Gooding &
Company im Jahr 2010 die Dämme gebrochen zu haben. Nicht offiziell bestätigt wurde
der Verkaufspreis von über 30 Millionen Dollar (damals ca. 23 Millionen Euro) –
bis dahin das teuerste Auto der Welt. Ebenso wenig bestätigt wurde das Mullin
Museum bzw. dessen Chef, Peter W. Mullin, als Käufer des Art Deco-Highlights.
Jedenfalls steht es seitdem ebendort, gekennzeichnet als
Seit diesem Rekordpreis kamen absolute und typbezogene
Rekordergebnisse in immer kürzeren Abständen: So wurde 2011 ein Ferrari 250TR
von 1957 für 16,4 Millionen Dollar (ca. 12,5 Mio Euro) versteigert. Im Jahr
2012 wird ein Ford GT40 Gulf/Mirage 2012 für 11 Millionen Dollar, ca. 8,4
Millionen Euro, versteigert. Im gleichen Jahr kamen ein Ferrari 250 GT
California Spyder LWB für 11,3 Mio Dollar (ca. 8,6 Mio Euro) und ein Mercedes
540K Spezial Roadster für 11,8 Mio Dollar (ca. 9 Mio Euro) unter den Hammer,
während ein Ferrari 250GTO 35 Mio Dollar erzielte. Im nächsten Jahr, 2013,
zahlte ein Bieter 12,8 Mio Dollar (ca. 9,7 Mio Euro) für einen Ferrari
340/375MM Competizione und der Mercedes W196R von 1954, der seinerzeit von Juan
M. Fangio gefahren wurde, erzielte gar 29,7 Millionen Dollar (ca. 22,6 Mio Euro).
Im gleichen Jahr markiert ein Ferrari 275 GTB/4 N.A.R.T. Spyder mit 27,5 Mio
Dollar (ca. 20 Mio Euro) sein Revier und einen neuen Auktionsrekord. Und 2014
schließlich erzielte Bonhams in Kalifornien die stolze Summe von 38.115.000,00
Dollar für einen weiteren Ferrari 250 GTO. All das ist jedoch vergleichsweise
preiswert, verglichen mit dem absoluten Spitzenpreis von 52 Millionen Dollar,
die in einem Privatverkauf ebenfalls für einen Ferrari 250 GTO aus dem Jahr
1963 angeblich bezahlt wurden.
Sehr viele, sehr hohe Zahlen, zugegeben. Aber ist die Angst
vor dem Platzen der Blase gerechtfertigt? Schließlich warnt man schon seit
Jahren davor und trotzdem entwickeln sich die Preise rasant immer weiter nach
oben. Und ist die teils derbe Kritik an dieser unglaublichen Preisentwicklung
gerechtfertigt? Diese Frage stellt sich besonders, da die lauteste Kritik von
den Leuten kommt, die sich – wie ich - diese Fahrzeuge ohnehin nicht leisten
könnten, selbst wenn sie nur 1/10 ihres Preises kosten würden. Die aber Angst
haben, dass im Sog dieser Entwicklung ihr Hobby irgendwann unbezahlbar wird.
Zuletzt hat die Auktion des „größten Scheunenfunds alles
Zeiten“ im Februar in Paris für weltweites Aufsehen gesorgt. Die – darf man das
überhaupt sagen? - Schrottfahrzeuge der Baillon-Sammlung erzielten scheinbar
irrsinnige Preise, im Durchschnitt deutlich mehr als 500% vom Schätzpreis.
Viele fragen sich, wo das hinführen soll. Sie zweifeln gar an der
Zurechnungsfähigkeit mancher Käufer, die praktisch für einen Haufen Rost den
gleichen Preis bezahlen, für den sie bei einer anderen Auktion, am gleichen
Wochenende, in der gleichen Stadt, das gleiche Auto, allerdings im Zustand 1,
bekommen hätten.
Doch Vorsicht mit vorschnellen Urteilen! Der Markt ist
längst nicht mehr auf Europa und USA begrenzt. Asien holt auf und wird künftig
noch für so manche Überraschung sorgen, da wir immer noch nicht mit den neuen
Umständen umgehen können. So gibt es dort Länder, die 220 % Importzoll für
Oldtimer erheben. Ein € 80.000-Fahrzeug kostet mit 15 % Aufgeld zunächst mal €
92.000. Dazu kommt der Transport und mit ein paar sonstigen Nebenkosten sind
wir schnell bei runden € 100.000. Der Zoll würde dann weitere 220.000 Euro
ausmachen, was dem asiatischen Käufer einen Endpreis von € 320.000 bescheren
würde, bis der Wagen zuhause ist. Kauft er hingegen das gleiche Auto, nur eben
als Schrottfahrzeug, beträgt der Zoll nur 10 %. Die Rechnung sieht jetzt so
aus: Bis zu den € 100.000 ist alles gleich. Aber dann wird es interessant, denn
es fallen nur € 10.000 als Zoll an, macht € 110.000. Lässt er den Schrott jetzt
zuhause in Asien für, sagen wir, weitere € 110.000 in den Zustand 1 versetzen
(ja, die können das auch in Asien!) landet der vermeintliche „Schwachkopf“ bei
einem Gesamtpreis von € 220.000 und spart sich somit glatte 100 Tausender, was
ihn schlagartig zum scharf rechnenden, coolen Geschäftsmann befördert. Also lieber
erst schlau machen, dann rechnen und erst dann kritisieren – wenn es jetzt
überhaupt noch einen Grund dafür gibt. Das bedeutet natürlich nicht, dass
fortan jeder Schrott Mondpreise erzielen wird und Richtung Asien verkauft wird.
Aber: Asien wacht auf und wir müssen uns künftig damit abfinden, dass dort
andere Gesetze und Herangehensweisen gelten. Trotzdem müssen wir wohl nicht
befürchten, dass diese Preisentwicklung bis zu den „normalen“ Oldtimern
durchschlägt - von aktuellen Einzelfällen wie Porsche 911 vielleicht einmal
abgesehen.
Aber irgendwie verstehe ich den Multimillionär oder gar
Milliardär in seiner Gedankenwelt: Man stelle sich nur mal vor, man hat – sagen
wir – 600 Mio. Dollar auf dem Konto. Und - seit man ein 15jährige Junge war – den
großen Traum, einmal einen Ferrari 250GTO zu besitzen. Gibt es ein druckfähiges
Wort dafür, wie egal es eigentlich ist, ob dieses Auto, wenn es jetzt schon
einmal zu verkaufen ist, 30 oder 40 oder 50 Millionen Dollar kostet? Und man
den Erben dann statt 600 nur 550 Millionen und ggf. ein tolles Auto hinterlässt?
Mir jedenfalls wäre das vollkommen gleichgültig. Genauso wie es mir in diesem
Fall vermutlich gleichgültig wäre, was mein Kauf für einen Impact in der
Oldtimerszene hinterlässt.
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