Donnerstag, 4. Juni 2015

40. Retromobile 2015

Die drei versammelten Bugattis vom Type 41, besser bekannt als Bugatti Royal, 50 % der Weltpopulation, wären an sich ja der Höhepunkt gewesen. Wann sieht man schon einmal drei automobile Kunstwerke dieses Kalibers zusammen stehen, wenn sie nicht von der Cité de l’Automobile Musée Nationale Collection Schlumpf präsentiert werden? Allen voran das herrliche Coupe Napoleon (Chassis 41-100), für mich der nie wieder erreichte Inbegriff eines eleganten Oldtimers. Aber auch die schwarze Innenlenker-Limousine (Chassis Nr. 41-131) mit englischer Park-Ward Karosserie, ausgeliefert an Captain Cuthbert Foster, ist ein imposanter Wagen, der allerdings wesentlich wuchtiger wirkt. Der Wiederaufbau des sportlichen Armand Esters Roadster wurde noch unter Leitung der Gebrüder Schlumpf in den 1970er Jahren begonnen, dann für längere Zeit unterbrochen und schließlich vom Museum vollendet. Die Farbgebung der riesigen Sportwagens in verschiedenen Grüntönen mutet mich etwas sehr modern an, aber schließlich waren die Autos auch früher schon bunt, nicht nur schwarz, weiß oder irgendein Grauton dazwischen. Besonders eindrucksvoll haben das übrigens letztes Jahr die Ruxtons in Pebble Beach bewiesen...



Von den drei Royales also einmal abgesehen, waren natürlich noch jede Menge anderer Highlights zu bewundern, die jedes für sich zahllosen Oldtimer-Events zur Ehre gereicht hätten. Zum 40. Jubiläum zeigte man eine Sonderschau von Pegaso Automobilen, Außerdem bot der italienische Sammler Corrado Lopresto einen Einblick in seine Sammlung von Prototypen und Unikaten. Jede Menge internationaler Spitzenhändler boten sogar Fahrzeuge zum kaufen an, nicht nur zum anschauen. Wer also die eine oder andere Million übrig hatte, konnte sich bei Fiskens, Hüni, JD Classics & Co mit teuren Spielzeugen eindecken. Und natürlich bietet die Retromobile auch in ihrem 40. Jahr eine schier unüberschaubare Auswahl an Ersatzteilen, Zubehör, Kunst und Automobilia aller Art.



Die beiden Auktionen von Bonhams und RM sorgten schließlich dafür, dass man nicht mehr, wie früher einmal, mit einem Tag alles gesehen hat, was die Retromobile zu bieten hat. Heutzutage braucht man dafür mindestens zwei Tage, besser noch drei. Dann bleibt auch noch ein wenig Zeit für die Stadt der Liebe, die ja bekanntermaßen auch noch andere Highlights zu bieten hat.

All das wurde jedoch schon von vorneherein von Rost und Staub überstrahlt. Die 59 Fahrzeuge der Sammlung Roger Baillon, wurden von Artcurial wunderschön inszeniert. Wie haben sie die Auto nur so unversehrt hergebracht? Nicht einmal viele Fingerabdrücke vom Bergen und Bewegen der Autos sind in der üppigen Patinaschicht auszumachen! In der separaten, abgedunkelten Halle wurden die automobilen Zombies ausgestellt. So hatte diese Ansammlung von „untoten“ Fahrzeugen wahrlich etwas verwünschtes, zauberhaftes. Fast wirkte es wie ein romantischer Schatten aus der Vergangenheit, wie eine flüchtige Idee des Traumes von Monsieur Baillon – sein Museum, das er niemals verwirklichen konnte. Alleine, das zu sehen, war die Reise nach Paris diesmal wert. Die Relikte ehemals herrschaftlicher Traumwagen dämmerten im stillen Halbdunkel vor sich hin und schienen die letzten Stunden ihrer Gemeinsamkeit geradezu bewusst zu genießen. So lag denn auch ein Hauch von Traurigkeit über diesen stummen Zeugen der Vergangenheit. Schade, dass von der Einmaligkeit dieser Sammlung, die ja gerade in der schieren Menge von gleichartig verrotteten Fahrzeugen liegt, nicht mehr viel übrig bleiben wird. Sicher werden einige der Fahrzeuge in diesem würdevollen, wenn auch schlechten, Zustand bleiben dürfen. Anderen jedoch wird mit ziemlicher Sicherheit im unvermeidlichen Restaurierungsprozess die Seele geraubt. Viel der originalen Substanz dürfte angesichts der Ausgangssituation nicht mehr übrigbleiben, bis man sie in einigen Jahren auf den gepflegten Golfplätzen und in den Schlossparks der Welt wieder strahlen sieht.

Insgesamt erlösten die „sleping beauties“ 25,15 Millionen Euro. Den Rekord erzielte, wenig überraschend, der 1961er Ferrari 250 GT SWB California Spider von Alain Delon, der am Ende nicht nur den Auktionsrekord der Sammlung Baillon erzielte, sondern den höchsten Zuschlag, den Artcurial ins einer Geschichte verwirklichen konnte und den höchsten Preis markierte, der überhaupt jemals für einen California Spider bezahlt wurde: 16,3 Mio Euro, inklusive Aufgeld. Dagegen war der 1956er Maerati A6G 2000 Gran Sport Berlinetta Frua mit 2 Millionen (inkl. Aufgeld) vergleichsweise günstig, obwohl er damit auch der bislang teuerste seiner Art war. Erstaunlich dagegen die 1,7 Mio (inkl. Aufgeld) für die Fragmente eines 1949er Talbot-Lago T26 Grand Sport SWB  mit den Resten einer Saoutchik-Karosserie.





Angesichts solcher Ergebnisse fragt man sich, wohin der Wahn zum Scheunenfund noch führen soll. Wird es bald Derestaurierungs-Betriebe geben, die aus herrlichen, restaurierten Fahrzeugen für teures Geld „authentische Scheunenfunde“ machen, ähnlich den Patinierungen, die in letzter Zeit so in Mode gekommen sind? Ich denke jedenfalls, ich fahre meinen 19 Jahre alten, rostigen Benz noch eine Weile und lasse ihn dann einfach mal für ein paar Jahrzehnte irgendwo im Schuppen stehen, anstatt ihn teuer zu entsorgen. Meine Enkel und Urenkel haben dann eines Tages vielleicht auch noch was davon.




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